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Herbstgefühle

Es ist nun also Herbst. Ich mag den Herbst nicht. Klar, er kann sehr schön sein – bunte Blätter, goldenes Licht…

Aber er bringt auch Dunkelheit. Nässe. Viel Grau. Wind.

Und er bringt jedes Jahr die gleiche Schwere in meinen Kopf. Alte Erinnerungen, die einfach nur weh tun. Da liegt wieder der Ex auf der Couch und macht wochenlang nichts anderes als zu kiffen. Er bekommt sein Leben nicht auf die Kette, zieht mich mit runter, irgendwann eskaliert es. Ich gehe weiter zurück in der Vergangenheit, sitze nun im WG-Zimmer des Exmannes. Ich fühle mich komplett fehl am Platz und furchtbar einsam. Es ist ungemütlich und kalt hier. Aber so ist es nun – ich beende mein Studium in der einen Stadt, er hat den Job in der anderen Stadt angenommen. Da hatte ich nichts mit zu entscheiden. Ich wollte nie eine Fernbeziehung, jetzt versuche ich das Beste daraus zu machen. Noch ältere Erinnerungen kommen auf. Ich liege in meinem Kinderzimmer auf dem Boden. Tocotronic läuft leise. Ich schaue aus dem Dachfenster über mir. Der Regen prasselt darauf. Ich bin 16, 17 und es ist einfach nur alles ätzend. Ich fühle mich gefangen, einsam, mies. Plötzlich stehe ich weinend auf dem Friedhof. Der Reißverschluss meiner Jacke ist kaputt. Ich halte einen Brief in der einen, eine Sonnenblume in der anderen Hand und lege sie auf das frische Grab vor mir. Ich fische aus meiner Tasche ein Snickers und lege es dazu. Ich gehe noch weiter zurück…

Und dieses Jahr? Ich habe Angst vor dieser Zeit im Jahr. Alles ist nun ganz anders – der Exmann und der Ex sind aus meinem Leben verschwunden. Ich habe nun Kleinchen und Herrn Eule und es geht mir gut. Ich habe viel durchgemacht. Es ging mir schon häufiger gut und dann wieder schlecht. Mein Leben war bisher eine Achterbahnfahrt, ich musste schon einige Loopings drehen. Ich bin so müde. Ich will von dieser verdammten Achterbahn runter! Eigentlich will ich aus dem ganzen Freizeitpark raus. Ein langer, ruhiger Waldspaziergang – das wär es doch!

Und vor lauter Angst bin ich – wie jeden Herbst – wie gelähmt. In meinem Kopf türmen sich die Baustellen, die ToDo-Liste explodiert. Ich habe Ideen, große und kleine, aber traue mich nicht, sie anzugehen. Zu viel Angst vorm Scheitern, vorm nächsten Looping. Ich musste schon so oft ganz von vorn anfangen, mich irgendwie zusammen kratzen und wieder aufstehen. Noch einmal habe ich dafür nicht die Kraft, fürchte ich.

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